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Expedition zur Steueroase mitten in Deutschland
Expedition zur Steueroase mitten in Deutschland – Rechtsanwalt/Steuerberater Prof. Dr. Fischer als Steuerrechtswissenschaftler auf Feldstudie – 2020
Prof. Dr. Hans-Jörg Fischer, RA/StB/FAStR/FAHuGR;
FOM Hochschule für Oekonomie & Management Mannheim, KompetenzCentrum Accounting und Taxation
Zu einer Feldstudie machte sich RA/StB Prof. Dr. Hans-Jörg Fischer, in das schöne Oberbayern auf. Dort führte ihn der Weg in den Ebersberger Forst, genauer: zu einer Holzhütte („Stadel“), die unter der Adresse St. Hubertus 2 einen für einen Wald ungewöhnlichen Inhalt birgt.
Foto 1: Der „Stadel“
Denn laut Briefkasten ist diese Holzhütte der Geschäftssitz von sieben verschiedenen Gesellschaften, die z.T. als Fonds in der Rechtsform der GmbH & Co. KG interessierten Anlegern die Möglichkeit bieten, als Kommanditisten am Gewinn der Fonds teilzunehmen. Z.T. handelt es sich aber auch um Komplementärgesellschaften einer Kommanditgesellschaft, die in der Rechtsform der GmbH Geschäftsführungsfunktionen für Fonds ausüben.
Foto 2: Die Unternehmen im „Stadel“
Was ist der Hintergrund dieser ungewöhnlichen Konstellation?
Selbstverständlich hat wieder einmal das Steuerrecht Gestaltungen und Verhalten von Unternehmen bestimmt.
Gewerbliche tätige Unternehmen unterliegend der Gewerbesteuer, deren Höhe mit der Bestimmung eines bestimmten Hebesatzes (einem Multiplikator, der auf den Gewerbeertrag angewandt wird) von der örtlichen Gemeinde festgelegt wird. Seit 2004 muss dieser Hebesatz mindestens 200% (somit Multiplikator x 2) betragen, der Gesetzgeber wollte hier das damals entstehende „Gewerbesteuerdumping“ einiger kleinen Gemeinden in Nord- und Ostdeutschland, die mit einem Hebesatz von 0%, somit einem Multiplikator 0 die Gewerbesteuer als Anreiz für Unternehmer ganz abgeschafft hatten, unterbinden.
Nach oben ist der Hebesatz offen, Spitzenreiter 2020 ist wie in den Vorjahren mit 600 % (Multiplikator x 6) die Gemeinde Wettlingen im westlichen Rheinland-Pfalz, die nur 32 Einwohner hat. Die meisten kleineren Gemeinden erheben bereits einen Hebesatz bei der Gewerbesteuer von weit über 300%, so die Gemeinde Ebersberg mit 360%. Hebesätze werden demokratisch im Gemeinderat beschlossen und spiegeln den vielfältigen Finanzbedarf einer Gemeinde wider.
In Deutschland gibt es auch einige wenige gemeindefreie Gebiete, die nicht um Gebiet einer Gemeinde gehören und für die eine Gemeinde somit keine Gewerbesteuerhebesätze beschließen kann. Diese Gebiete befinden sich im Eigentum und unter direkter Verwaltung des Bundes oder eines Landes.
Hierzu gehört der Ebersberger Forst, der ungeachtet seines Namens nicht zur Gemeinde Ebersberg, sondern als Staatsforst dem Freistaat Bayern gehört und vom Landkreis Ebersberg verwaltet wird.
2004 entstand beim Landkreis Ebersberg die Idee, die Finanzen des Landkreises aufzubessern. Der Landkreis, der nach seiner Satzung auch das Recht zur Erhebung einer Gewerbesteuer hatte, setzte einen Hebesatz von 200% und damit den niedrigsten rechtlich möglichen Hebesatz fest, um Gewerbebetriebe anzulocken. Dieser Hebesatz gilt nur für das genannte gemeindefreie Gebiet, da sämtliche Gemeinden im Landkreis, auch die Stadt Ebersberg, ihre eigenen – weit höheren – Hebesätze festgesetzt hatten.
Raum für Neuansiedlung von Gewerbe durch Neubauten bestand natürlich nicht, denn der Ebersberger Forst ist Landschaftsschutzgebiet, so dass Neubauten nicht möglich sind. Allerdings ist die Nutzung „irgendeines Bauwerks“ ausreichend für Unternehmen, die lediglich einen Firmensitz („Briefkasten“) benötigen. Hier kam das einzige noch stehende Gebäude im Staatsforst in Frage, die genannte Hütte unter der Adresse St. Hubertus 2, die früher als Unterkunft für Waldarbeiter und als Schuppen für Maschinen diente. Tatsächlich war diese Adresse nicht durchgehend zu üblichen Bürozeiten besetzt.
Foto 3: Straßenschild St. Hubertus 2 nebst Briefkasten
Der Steuervorteil einer Ansässigkeit im Ebersberger Forst bei der Gewerbesteuer, im Vergleich zur Gewerbesteuer im nahen München ist leicht zu errechnen.
Von 1000,00 € Gewinn ergibt sich bei einer konstanten Gewerbesteuermesszahl von 3,5% und einem Hebesatz von 200 % eine Gewerbesteuer von 70 €.
Im nahen München ergibt sich bei 1000,00 € Gewinn bei gleicher Messzahl und einem Hebesatz von 490 % eine Gewerbesteuer von 171,50 €. Im schon erwähnten Wettlingen würde sich bei den gesagten 600% Hebesatz sogar eine Gewerbesteuer von 210,00 € ergeben.
Das steuerliche Ergebnis im Ebersberger Forst ist so offensichtlich von der staatlichen Verwaltung gewollt. Von den Einnahmen – seit 2004 soll es ein Betrag in zweistelliger Millionenhöhe sein – behält der Landkreishaushalt nur ein Viertel, der Rest geht an den Regierungsbezirk und die Gemeinden des Landkreises – die damit auch von der Holzhütte im Ebersberger Forst als Steueroase profitieren.
Man könnte also sagen, dass die Gemeinden des Landkreises Ebersberg mit dieser Umlage genau die Geldmittel bekommen, die bei einer Ansässigkeit der Gewerbebetriebe in ihren Gemeindegrenzen bekommen hätten, wenn sie selbst den Mindeststeuersatz erhoben hätten. Allerdings befinden sich die Gemeinden in einem bundesweiten Wettbewerb um Unternehmen, bei dem die Rahmenbedingungen, darunter auch die Höhe der Gewerbesteuer, eine signifikante Rolle spielt. Die Unternehmen, die sich für das Domizil im „Stadel“ entschieden hatten, hätten bei Nichtexistenz dieser forstlichen Steueroase vielleicht eine andere Gemeinde im Bundesgebiet als Sitz auserkoren.
Angesichts einer andauernden Diskussion um die Unterstützung von Steuervermeidungsstrategien durch Nutzung von Niedrigsteuergebieten („Steueroasen“) ist der vorliegende Fall einer „staatlich sanktionierten“ Steueroase, die anderen Gebietskörperschaften (Gemeinden) Konkurrenz bei den Anreizen für eine Gewerbeansiedlung machen, doch bemerkenswert.
Update 2021: Nachdem die Stadt München die tatsächliche Ansässigkeit als Betriebsstätte gem. § 12 Abgabenordnung der im Stadel verorteten Unternehmen bestritten hatte – hier kam es wohl auf die nicht durchgehende Besetzung des Stadels zu üblichen Bürozeiten an, erfolgte noch in 2020 eine Kündigung der Pachtverträge der genannten Unternehmen durch den Landkreis Ebersberg zum Jahresende 2021. Steuereinnahmen des Landkreises sollen demgemäß an die Stadt München erstattet worden sein.
Update 2022: Der Stadel beherbergt aufgrund der Kündigung der Pachtverträge keinerlei Firmensitze mehr. Mitte April überzeugte sich Prof. Dr. Hans-Jörg Fischer davon, dass der entsprechende Briefkasten entfernt wurde. Eine eher groteske Gewerbesteueroase in Deutschland (Landkreis Ebersberg auf Kosten der Stadt München) ist damit Geschichte.
Foto 4: 2022 – die Firmenbriefkästen wurden entfernt
GWG (geringwertige Wirtschaftsgüter) – Neuerungen in 2018
Zu Zeiten der D-Mark lag die Grenze für geringwertige Wirtschaftsgüter bei 800 DM. Mit der Einführung des Euro wurde die GWG-Grenze auf 410 Euro festgesetzt. Am 24.08.2017 verabschiedete der Deutsche Bundestag das „Gesetz gegen schädliche Steuerpraktiken im Zusammenhang mit Rechteüberlassungen,“ die Zustimmung des Bundesrats steht noch aus. Damit wird die GWG-Grenze nun auf immerhin 800 EUR angehoben.
Rechtliche Grundlagen:
Laut dem Handelsgesetzbuch sind Vermögensgegenstände (Sachen und Rechte), mit ihren Anschaffungs- beziehungsweise Herstellungskosten als Aktiva zu bilanzieren (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 EStG). Handelt es sich um abnutzbare Wirtschaftsgüter, müssen sie über den Zeitraum ihrer betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer abgeschrieben werden (§ 7 Abs. 1 EStG). Eine Ausnahme bilden dabei Wirtschaftsgüter von geringem Wert (GWG), die beweglich, abnutzbar und selbstständig nutzbar sind. Sie brauchen nicht über die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer, sondern dürfen im Jahr der Anschaffung in voller Höhe abgeschrieben werden (§ 6 Abs. 2 Satz 1 EStG). Sie müssen allerdings in einem eigenen Verzeichnis erfasst werden, wenn ihr Wert 150 Euro überschreitet (§ 6 Abs. 2 Satz 4 EStG). Zur Vereinfachung in der Praxis ist es nach noch aktuellem Recht allerdings auch möglich, für das jeweilige Wirtschaftsjahr Wirtschaftsgüter, deren Wert zwischen 150 Euro und 1.000 Euro liegt, zu einem Posten zusammenzufassen, der dann über fünf Jahre abgeschrieben werden kann. (§ 6 Abs. 2a EStG). Liegen die Anschaffungskosten eines beweglichen Wirtschaftsguts unter 150 Euro, darf dieses als Betriebsausgabe sogar sofort abgeschrieben werden.
Kurzübersicht: Was bleibt gleich, was ändert sich?
Die Grenze für geringwertige Wirtschaftsgüter wird durch die Gesetzesnovellierung deutlich angehoben: sie liegt nun bei 800 Euro (§ 6 Abs. 2 Satz 1 EStG). Unverändert müssen sie ab einer Grenze von 150 Euro in einem eigenen Verzeichnis erfasst werden (§ 6 Abs. 2 Satz 4). Weiterhin gilt: Geringwertige Wirtschaftsgüter müssen beweglich, abnutzbar und selbstständig nutzbar sein. Es müssen Anschaffungs- beziehungsweise Herstellungskosten angefallen sein. Beispiele wären Möbelstücke oder Computer.
Die Kann-Regelung, einen Sammelposten zu bilden, hat nun neu eine Untergrenze von 250 Euro und wie gehabt eine Obergrenze von 1.000 Euro (§ 6 Abs. 2a Satz 1 EStG).
Wirtschaftsgüter, die selbstständig genutzt werden können, können nun bis zu einer Grenze von 250 Euro, statt bisher 150 Euro, im Jahr der Anschaffung oder Herstellung in voller Höhe als Betriebsausgaben abgeschrieben werden (§ 6 Abs. 2a Satz 4 EStG).
Praxis-Tipp: Investitionen nach 2018 verlagern
Die beschriebenen Neuerungen für geringwertige Wirtschaftsgüter gelten für Anschaffungen nach dem 31.12.2017 (§ 52 Abs. 12 Satz 3 EStG). Falls diese im Wert zwischen der alten (410 Euro) und der neuen Grenze (800 Euro) liegen, empfiehlt es sich zu überlegen, ob die Anschaffungen möglicherweise noch bis 2018 aufgeschoben werden können, um sie dann sofort geltend machen zu können.
Weitere Gesetzesänderungen
Unternehmensbezogene Sanierungsgewinne sind ab nun steuerfrei, wenn im Sanierungsjahr und dem Jahr darauf steuermindernde Wahlrechte genutzt werden (3a EStG). Hintergrund ist, dass das BFH eine Verwaltungsanweisung des BMF kritisiert hatte (IV A 6 S 2140/03, BStBl. I 2003). Internationalen Konzernen sollen kreative Modelle zur Steuervermeidung erschwert werden. Daher werden die Möglichkeiten zum Steuerabzug von Aufwendungen für Rechteüberlassungen und Lizenzzahlungen eingeschränkt (§ 4j EStG).
Neuer Stichtag für die Abgabe Ihrer Steuererklärung ab 2018
Der Stichtag für die Abgabe Ihrer Steuererklärung, der bisher auf den 31. Mai fiel, wird nach hinten verschoben. Ab dem Steuerjahr 2018 können Sie diese bis spätestens zum 31. Juli des Folgejahres bei Ihrem zuständigen Finanzamt einreichen. Das heißt, dass Sie sich erstmalig im Jahre 2019 zwei Monate länger Zeit mit der Abgabe Ihrer Steuererklärung lassen dürfen.
Ab 2018: Berechnung des Verspätungszuschlags gesetzlich vorgegeben
Der Verspätungszuschlag soll sicherstellen, dass Steuerpflichtige ihre Steuererklärungen rechtzeitig abgeben.
In der Neufassung des § 152 AO ist jetzt genau geregelt, wann das Finanzamt einen Verspätungszuschlag zwingend erheben muss
. Das ist der Fall, wenn ein Steuerpflichtiger seine Steuererklärung für ein Kalenderjahr 14 Monate später immer noch nicht abgegeben hat. Was heisst: Wer seine Steuererklärung für 2018 erst im März 2020 oder danach abgibt, erhält automatisch einen Verspätungszuschlag. Er beträgt dann pro angefangenem Säumnis-Monat 0,25 Prozent der um die Vorauszahlungen und die anzurechnenden Steuerabzugsbeträge verminderten Steuer, mindestens aber 25 Euro monatlich.
Billigkeitsregelung für Steuerpflichtige
Die Billigkeitsregelung für Steuerpflichtige stellt eine Neuerung dar. Sie schützt Menschen, die sich nicht darüber im Klaren waren, dass sie eine Steuererklärung hätten abgeben müssen. Das kann Rentner betreffen, die eine Rentenerhöhung erhalten und dadurch über den Grundfreibetrag kommen. Nach § 152 Abs. 5 Satz 3 AO wird ein Verspätungszuschlag erst dann erhoben, wenn der Aufforderung durch das Finanzamt, eine Steuererklärung abzugeben, nicht fristgemäß nachgekommen wird.
Neue Regelungen beim Bauvertrag – neue Risiken für Bauunternehmen bei privaten Auftraggebern
Ab dem 01.01.2018 tritt das neue Bauvertragsrecht in Kraft. Der Gesetzgeber sieht hierbei neue Regelung zum Verbraucherschutz vor. Künftig können Bauverträgen mit Verbrauchern – also Auftraggebern, die das Baugewerk nicht für ihre gewerblichen oder selbständigen Zwecke benötigen – von den Auftraggebern mit einer 14-tägigen Frist widerrufen werden. Der Auftragnehmer hat auf das Widerrufsrecht hinzuweisen. Damit werden die Regelungen zum Verbrauchsgüterkauf auch auf den Werkvertrag übertragen. Bauunternehmer sollten darauf achten, die Widerrufsbelehrung vollständig abzugeben, damit die 14-tägige Widerrufsfrist zu laufen beginnt.
Eine weitere Neuerung ist die Verpflichtung des Bauunternehmers, im Angebot an einen Verbraucher eine ausführliche Bau- und Leistungsbeschreibung vorzunehmen. Bauherren soll – so die Absicht des Gesetzgebers – verschiedene Angebote besser vergleichen können. Der Auftragnehmer hat in der Baubeschreibung zwingend Angaben zu Art und Umfang der angebotenen Leistung, der Gebäudedaten, zu Plänen mit Raum- und Flächenangaben, Ansichten, Grundrisse und Schnitte, zu Beschreibungen der Baukonstruktion aller wesentlichen Gewerke und zu Qualitätsmerkmalen, denen das Gewerk genügen muss, zu machen. Eine wesentliche Neuerung mit noch ungeahnten Konsequenzen ist die Verpflichtung des Auftragnehmers, eine verbindliche Angabe zum Zeitpunkt der Fertigstellung zu machen. Falls dies nicht möglich sein sollte, muss der Bauunternehmer Angaben zur Dauer der Bauausführung machen. Während bisher nur selten ein freiwilliger Bauzeitenplan erstellt wurde, wird dies nunmehr gegenüber privaten Bauherren obligatorisch werden.
Schließlich darf der Gesamtbetrag der Abschlagszahlungen des Verbrauchers als Bauherrn 90% der vereinbarten Gesamtvergütung nicht überschreiten.
Insgesamt sorgen die vorgestellten Neuregelungen zwar für einen stärkeren Verbraucherschutz, auf der anderen Seite bergen sie Risiken für Bauunternehmen durch die erhöhten Dokumentationspflichten. Mit meiner 20-jähreigen Erfahrung im Baurecht kann ich Sie dabei unterstützen, dsas diese Neuregelungen keine negativen Folgen für Bauunternehmer bei Gewerken bei privaten Bauherren haben.